Wenn der Steuerbescheid teurer ist als nötig.
Wann sich für Anleger der Einspruch lohnen kann.
Wusstest du, dass dein Steuerbescheid auch dann falsch sein kann, wenn die Zahlen stimmen? Das betrifft gerade viele Leute, die an der Börse investiert sind und Gewinne oder Verluste gemacht haben. Es kann sich lohnen, jetzt Einspruch einzulegen, selbst wenn da noch ein Gerichtsurteil aussteht.
Unser Berater Ortay Gelen für Onvista, eine Plattform die News, Analysen und Kurse zum Finanzmarkt liefert.
Die Frist für die Steuererklärung 2024 endet am 31. Juli 2025. Wenn du bis dahin deine Kapitalertragsteuer regelst, kannst du Geld sparen. Du musst nur die Regeln und Ausnahmen im Steuergesetz kennen.
Warum sich jetzt ein Einspruch gegen den Steuerbescheid lohnen kann – vor allem für Anleger
Ihr Steuerbescheid ist korrekt – und trotzdem möglicherweise zu hoch. Das klingt paradox, ist aber für viele Anleger Realität. Was im Steuerrecht als „korrekt“ gilt, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es auch gerecht ist. Wer 2024 mit Aktien oder Termingeschäften Gewinne und Verluste erzielt hat, sollte seine Steuererklärung gerade JETZT mit besonderem Augenmerk prüfen. Ein gezielter Einspruch gegen den Steuerbescheid kann bares Geld bedeuten – auch dann, wenn die rechtliche Lage noch nicht final entschieden ist.
Der Stichtag zur Abgabe der regulären Steuererklärung für das Jahr 2024 ist der 31. Juli 2025. Wer sich mit der Abgabe der Erklärung ohnehin befasst, sollte den Steuerbescheid, der wenige Wochen später folgt, nicht einfach abnicken. Vor allem Anlegerinnen und Anleger, die ihre Gewinne und Verluste aus verschiedenen Kapitalanlagen nicht vollständig miteinander verrechnen konnten, sollten genauer hinschauen. Denn eine juristische Grundsatzfrage ist derzeit noch offen – und sie betrifft potenziell hunderttausende private Anleger in Deutschland.
1. Gewinne aus Aktien, Verluste aus Termingeschäften – warum das Finanzamt trennt, was ökonomisch zusammengehört
Ein praktisches Beispiel: Eine Anlegerin verkauft 2024 mehrere Aktienpakete und erzielt daraus Gewinne von insgesamt 12.000 Euro. Gleichzeitig erzielte sie im selben Jahr Verluste aus Optionsscheinen und strukturierten Produkten in Höhe von 9.000 Euro. Der wirtschaftliche Nettogewinn liegt also bei 3.000 Euro – eigentlich. Doch das wäre aus Sicht des Steuerrechts zu einfach.
Das deutsche Steuerrecht unterscheidet bei der Verlustverrechnung bisher penibel zwischen verschiedenen Arten von Kapitalerträgen. Verluste aus Aktienverkäufen dürfen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnet werden. Verluste aus Termingeschäften – dazu zählen beispielsweise Futures, Optionen oder Knock-out-Zertifikate – wiederum dürfen ebenfalls nur innerhalb dieser Kategorie gegen Gewinne gerechnet werden. Eine übergreifende Verrechnung zwischen diesen Verlustkörben ist bisher ausgeschlossen.
Die Konsequenz: Obwohl unter dem Strich kein großer Gewinn übrig bleibt, werden in unserem Beispiel 12.000 Euro steuerpflichtiger Gewinn angesetzt – der Freibetrag ist schnell aufgebraucht, und auf den Restbetrag fällt Abgeltungsteuer an. Der Verlust aus den Termingeschäften verpufft steuerlich vollständig. Ökonomisch betrachtet ein klarer Nachteil für Anleger – juristisch allerdings bislang vom Gesetz gedeckt.
2. Ein Fall für den Bundesfinanzhof – und möglicherweise für das Verfassungsgericht
Genau gegen diese steuerliche Praxis richtet sich derzeit ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Unter dem Aktenzeichen VIII R 11/18 prüfen die Richter, ob die Einschränkung der Verlustverrechnung – insbesondere bei Aktien – mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist. Die Argumentation: Wer Verluste macht, soll diese auch steuerlich nutzen können – unabhängig davon, aus welcher Art von Kapitalanlage sie stammen.
Besonders problematisch wird es, wenn Verluste vollständig ins Leere laufen, während auf Gewinne Steuern anfallen. Diese künstliche Trennung widerspricht nicht nur ökonomischer Logik, sondern benachteiligt auch Anleger, die breit gestreut investieren. Genau das aber wird von vielen Finanzexperten und auch von Teilen der Rechtsprechung als systematisch ungerecht kritisiert.
Ein endgültiges Urteil steht noch aus. Doch die Entscheidung könnte grundlegend sein. Und hier liegt der entscheidende Punkt: Nur wer rechtzeitig Einspruch gegen seinen Steuerbescheid einlegt, kann im Fall eines positiven Urteils auch rückwirkend profitieren.
3. So funktioniert der Einspruch – und was Anleger dabei beachten sollten
Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid ist innerhalb eines Monats nach dessen Bekanntgabe möglich. In diesem Einspruch sollte sich der Steuerpflichtige auf das anhängige Verfahren beim BFH berufen – konkret auf das Aktenzeichen VIII R 11/18 – und gleichzeitig beantragen, das eigene Verfahren ruhend zu stellen, bis eine Entscheidung vorliegt.
Die gute Nachricht: Ein solcher Einspruch ist in der Regel formlos möglich. Wer Unterstützung benötigt, kann sich an einen Steuerberater wenden oder auf Vorlagen zurückgreifen, die mittlerweile auch online angeboten werden. Der Aufwand ist überschaubar – die potenzielle Ersparnis dagegen beträchtlich.
Wichtig: Selbst, wenn der Einspruch zunächst nicht zu einer Änderung führt, sichert er das sogenannte „materielle Steuerrecht“. Nur wer widerspricht, hat später Anspruch auf eine rückwirkende Korrektur – andernfalls bleibt der zu hohe Steuerbescheid rechtskräftig, selbst wenn sich später herausstellt, dass die Berechnung eigentlich unzulässig war.
4. Was sich bei Termingeschäften 2024 geändert hat – gute Nachrichten mit Einschränkungen
Für Anleger, die mit Derivaten oder anderen Termingeschäften handeln, gab es Anfang 2024 eine wichtige gesetzliche Neuerung: Die berüchtigte Verlustverrechnungsgrenze von 20.000 Euro pro Jahr wurde gelockert. Zuvor konnten Verluste aus Termingeschäften nur bis zu dieser Obergrenze mit Gewinnen verrechnet werden – selbst wenn die Verluste deutlich höher lagen. Diese Einschränkung sorgte in der Vergangenheit für teils drastische Steuerzahlungen trotz unterm Strich negativer Gesamtergebnisse.
Mit dem Jahressteuergesetz 2022, das zum 1. Januar 2024 wirksam wurde, reagierte der Gesetzgeber auf die anhaltende Kritik: Verluste aus Termingeschäften können nun wieder vollständig mit entsprechenden Gewinnen verrechnet werden – allerdings weiterhin nur innerhalb dieser Anlagekategorie.
Heißt konkret: Wer 30.000 Euro Verlust aus Knock-out-Zertifikaten und 25.000 Euro Gewinn aus Futures erzielt, kann diese vollständig gegeneinander aufrechnen. Ein positiver Schritt für viele aktive Trader. Doch wer diese Verluste mit Gewinnen aus Aktienverkäufen ausgleichen will, stößt nach wie vor an die Grenzen der Verlustverrechnungslogik.
Fazit: Jetzt vorbereiten und später profitieren
Die steuerliche Behandlung von Kapitalanlagen bleibt in Deutschland kompliziert – und für viele Anleger nach wie vor nachteilig. Doch mit dem richtigen Vorgehen können sich Betroffene zumindest gegen die offensichtlichsten Ungerechtigkeiten wehren. Ein Einspruch gegen den Steuerbescheid – insbesondere mit Blick auf die beschränkte Verlustverrechnung – ist dabei das wichtigste Werkzeug.
Wer 2024 sowohl Gewinne als auch Verluste aus verschiedenen Kapitalanlagen erzielt hat, sollte die Steuererklärung nicht nur abgeben, sondern strategisch prüfen. Denn: Nur wer jetzt handelt, kann später profitieren.
Praxistipp zum Schluss:
Auch wenn sich das Thema trocken anhört – es geht um Dein Geld. Nutze die Tools, Vorlagen oder lasse dich steuerlich beraten, um mögliche Einspruchsgründe rechtzeitig und sauber zu formulieren. Die Fristen laufen schnell ab, die rechtlichen Entwicklungen sind im Fluss – doch wer wachsam ist, kann sich vor Nachteilen schützen, bevor sie entstehen.
Quelle: Onvista, 04.06.2025